30.11.2025 um 15:00 Uhr: Schreyahn-Stipendiat Andreas Moster liest aus seinem aktuellen Roman „Der Silberriese“ (Arche Verlag, 2024)

Herzliche Einladung
Lesung & Gespräch
Moderation: Britta Gansebohm
Ort: Künstlerhof Schreyahn, Rundling 19, 29462 Wustrow
Kulturbeitrag: 10 Euro / ermäßigt 5 Euro
Da die Plätze begrenzt sind, wird eine Anmeldung empfohlen unter info@salonkultur.de
- Parkplätze werden direkt nebenan auf dem Hof der Familie Oelke zur Verfügung gestellt. Bitte nicht im Rundling auf Rasenflächen parken.
- Getränke, Kaffee & Kuchen, Salzgebäck und Brot auf Spendenbasis
- Der Künstlerhof Schreyahn ist barrierefrei
- Büchertisch: Alte Jeetzel-Buchhandlung, Lüchow
Andreas Moster, der derzeitige Stipendiat im Bereich Literatur auf dem Künstlerhof Schreyahn, erzählt nach „Wir leben hier, seit wir geboren sind“ und „Kleine Paläste“ mit „Der Silberriese“ die Geschichte eines alleinerziehenden Vaters, der sich mit dem Loslassen der Tochter gleichzeitig seiner eigenen Vergangenheit stellen muss. „Der Silberriese“ ist ein Roman über die Ambivalenz moderner Männlichkeit, vor allem aber über das berauschende Glück und die tiefe Einsamkeit eines Vaters, der sich ganz hingibt und dennoch zu scheitern droht.
Über das Buch
Patrik und seine zwölfjährige Tochter Ada waren immer zu zweit. Gerade sind sie wieder umgezogen und Ada hat mit dem Geräteturnen angefangen. Wenn Patrik zusieht, wie sie mit zusammengebissenen Zähnen am Stufenbarren hängt, denkt er an seine eigene Karriere als Leistungssportler zurück. Doch die olympische Silbermedaille, die er einst im Diskuswurf gewonnen hat, liegt verstaubt in der Schublade. Während Patrik und Ada zusammen trainieren und versuchen, sich in dem neuen Leben einzurichten, driften sie immer weiter auseinander. Je mehr sie ihm entgleitet, desto heftiger fallen Patrik Erinnerungen an all die Jahre mit seiner Tochter ein. Der verzweifelte erste Versuch, sie zum Trinken aus dem Fläschchen zu bewegen, die Nachmittage auf dem überfüllten Spielplatz, wo außer Patrik weit und breit kein Mann zu sehen war. Als Ada eines Tages verschwindet, begreift Patrik, dass er sich endlich den Fragen stellen muss, die ihrer beider Leben betreffen: Wo ist Adas Mutter und was ist von ihm selbst übrig?
Pressestimmen (Auswahl)
»Andreas Moster besitzt eine überaus feine Beobachtungsgabe und er hat die Fähigkeit, auch komplizierte Beziehungsverstrickungen in einer ruhigen, schnörkellosen Sprache zu beschreiben, die seinen Büchern eine Kraft und eine Tiefe verleihen, das man jeden seiner Romane nur schwer aus der Hand legen kann, bevor man ihn zu Ende gelesen hat. « Kerstin Bachtler, SWR Kultur über Der Silberriese
»Der Silberriese ist ein nah gehender Roman über eine fragile Beziehung von Vater und Tochter, aber auch über einen sehr fragilen Mann. Eine olympische Medaille bekommt man für den Alltag nicht, man kann Perfektion nicht trainieren. Dass Andreas Moster darüber so intim, zugleich aber auch unterhaltsam, erzählt, ist eine ziemlich sportliche Leistung. « Danny Marques Marcalo, NDR Kultur ‚NDR Buch des Monats‘ über Der Silberriese
»Andreas Moster hat ein ruhiges, feinfühliges Buch über die Einsamkeit eines verlassenen Mannes, die Hilflosigkeit eines alleinerziehenden Vaters und die tiefe Liebe zu seinem Kind geschrieben, die ihn das alles ertragen lässt.« Elke Heidenreich, Kölner Stadt-Anzeiger über Der Silberriese

Andreas Moster wurde 1975 in der Pfalz geboren. Er studierte Englische Philologie, Geschichte und Kommunikationswissenschaften und arbeitet heute als freier Übersetzer in Hamburg. 2017 erschien sein Debütroman Wir leben hier, seit wir geboren sind. Sein zweiter Roman Kleine Paläste wurde 2021 als Buch des Jahres mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet. 2022 nahm Andreas Moster am 46. Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil. Andreas Moster wurde mit einem dreimonatigen Aufenthaltsstipendium auf dem Künstlerhof Schreyahn ausgezeichnet. Er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.
Interview mit Andreas Moster
In Ihrem neuen Roman Der Silberriese erzählen Sie von Patrik, einem alleinerziehenden Vater. Alleinerziehende Väter sind statistisch seltener als alleinerziehende Mütter. Mit welchen Erwartungen wird Patrik konfrontiert, die speziell auf seine Rolle als alleiner-ziehender Vater zurückzuführen sind?
Als ehemaliger Spitzensportler hat Patrik immer in Extremen gelebt: extrem ehrgeizig, extrem diszipliniert, extrem gegen sich selbst und seinen Körper, und sein Leben durch Trainings- und Ernährungspläne kontrollierend. Als er ganz plötzlich durch das Verschwinden von Kara, Adas Mutter, aus diesen stabilen Zusammenhängen gerissen wird, beginnt er nach einer Phase des Schocks, seine erlernten Mechanismen auf die neue Rolle als alleinerziehender Vater zu über-tragen. Er entwickelt Erwartungen an sich selbst, an denen er nur scheitern kann, so stellt sich sehr bald ein grundsätzliches Unbehagen ein: Warum kann er nicht alles gleichzeitig sein? Guter Vater, erfolgreich im Beruf, begehrenswert als Mann? Warum sind die „Erfolge“ bei der Erziehung seiner Tochter so wenig greifbar, warum hängen sie nicht als Medaillen um seinen Hals wie früher? Die schönen einzigartigen Momente, die Eltern mit ihren Kindern erleben, sie werden im Strom der Überforderung als alleinerziehendes Elternteil immer seltener.
Sie selbst sind Vater von zwei Töchtern. Gibt es Parallelen bei der Bewältigung der Va-terrolle zwischen Ihnen und Ihrer Romanfigur Patrik? Wie hat der Blick auf ihre eige-nen Töchter Ihre Perspektive auf Patriks Tochter Ada geprägt?
Der Silberriese ist mit großem Abstand mein bisher persönlichster Roman. Wer mich kennt, wird zwar niemals einen ehemaligen Spitzensportler in mir sehen, dennoch schöpft der Text stark aus den Erfahrungen, die ich als Vater zweier Töchter seit inzwischen vierzehn Jahren mache. Im Moment beschäftigt mich gerade der Prozess des Loslassens sehr, meine ältere Tochter war während des Schreibens im gleichen Alter wie Patriks Tochter Ada. Den ver-meintlichen Kontrollverlust, den Patrik empfindet, kenne ich genauso wie die endlosen Stun-den auf dem Spielplatz. Dennoch haben sich die Figuren beim Schreiben sehr schnell von mir wegentwickelt. Ich bin nicht Patrik, ich bin nicht alleinerziehend, Ada ist nicht wie meine Töchter, zum Glück, denn ich wollte nie eine verkappte Autobiographie schreiben.
Patriks Liebe zu Ada ist tief und bedingungslos und gleichzeitig geprägt von Zweifel, Angst und Überforderung, eine Ambivalenz von der viele Eltern berichten. Warum ha-ben Sie sich dazu entschieden, über dieses Thema zu schreiben?
Es sind Themen, die mich seit vielen Jahren begleiten. Mit Argwohn, Unglaube und einem gewissen Neid betrachte ich Eltern, die ihr Leben mit Kindern vermeintlich mühelos meistern. Für mich sind Zweifel und Überforderung konstituierende Elemente meines Vatersseins und darüber zu schreiben, hat mir einen ehrlicheren und vielleicht auch gnädigeren Blick auf mich selbst erlaubt. Im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern besteht ein so elementarer Konflikt zwischen Selbstbehauptung und Selbstaufgabe, zwischen Nähe und Distanz, Freiheit und Kontrolle, dass der Roman – hoffentlich – von einer inneren Spannung getragen wird. Diese (An-)Spannung hat mich, ohne sie auflösen zu wollen oder müssen, beim Schreiben getragen.
Patrik begleitet und unterstützt seine Tochter bei ihrem Training, der Sport ist die Ver-bindung zu seiner Tochter, aber auch zu seiner eigenen Vergangenheit. Warum spielt der Sport eine so zentrale Rolle?
Die Figur des ehemaligen Spitzensportlers, der von heute auf morgen aus seinen Routinen gerissen wird, hat mich aus zwei Gründen fasziniert. Zum einen durch seine außergewöhnli-che, fast unnatürliche Körperlichkeit: Gestern hat Patrik noch fünf Stunden im Kraftraum und
im Wurfring trainiert und ist dabei über seine Grenzen gegangen, heute sitzt er mit einem hilflosen Bündel Kind auf dem Arm fast reglos da, zur Zärtlichkeit und zur Geduld gezwungen, Zum anderen wollte ich nachverfolgen, wie ein Mensch, der bisher alle Leidenschaft, Konzent-ration und Disziplin auf die Erreichung sportlicher Ziele ausgerichtet hat, diese Radikalität auf seine Identität als alleinerziehender Vater einer Tochter überträgt, welche Folgen dies für das Verhältnis der beiden hat und wann und wie ein solches Leben an seine Grenzen stößt.
Ihr Buch reißt auch das Thema postnatale Depressionen bei Müttern an, erzählt aus einer männlichen Perspektive. Welche Verantwortung ergibt sich daraus für Ihren Pro-tagonisten und vielleicht auch für Väter im Allgemeinen?
Der Roman gibt keine Antworten für den Umgang mit Depression. Patrik sieht nicht, wie es Kara nach der Geburt geht, kann es nicht sehen, will es vielleicht auch nicht. Zu fokussiert ist er auf seinen Sport, zu selbstverständlich lebt er im alten Rollenverständnis, nach dem die Mutter für das Kind sorgt und der Vater am Abend erschöpft von der Arbeit nach Hause kommt. Eine Sprachlosigkeit ist eingekehrt, seine Empathie richtet sich allein auf sich selbst, er horcht in seinen Körper hinein, statt auf die Signale seiner Partnerin zu hören, spürt nur seine eigene Müdigkeit und Erschöpfung, statt Karas Körpersprache zu lesen, sich einzufühlen in ihre Über-forderung. Als Spitzensportler hat er keine Sprache für das, was mit Kara geschieht, die post-natale Depression erscheint ihm nicht als Krankheit, sondern als Schwäche.
Mirell, seine aktuelle Partnerin und Kara, Adas Mutter, sind die beiden Frauen in Patriks Leben, die als Vergangenheit und Gegenwart auch seine Zerrissenheit symbolisieren. Was hält ihn zwischen diesen beiden Polen gefangen?
Die tiefe Kränkung, die ihm Kara zugefügt hat, hat Patrik nie überwunden. Auch wenn er mit Ada nie über ihre Mutter spricht, so ist sie in seiner Vorstellung, seiner Erinnerung, seinem Ressentiment doch immer bei ihm. Als er nun Mirell begegnet, zwölf Jahre, nachdem er von Kara verlassen wurde, öffnet sich ihm zum ersten Mal ein alternatives Leben. Wie durch ein Fenster schaut er in die Möglichkeit, wie sein Leben hätte sein können und vielleicht auch noch werden kann, leichter, freier, unbeschwerter, ein Leben jenseits der engen Zweierbeziehung zu seiner Tochter, in dem Raum ist für andere Menschen. Seine Identität, sein Selbstbild als unverschuldet leidender und sich aufopfernder Vater gerät ins Wanken. Denn Mirell fordert ihn heraus, konfrontiert ihn mit seiner Sprachlosigkeit und seinem Kontrollzwang gegenüber sei-ner Tochter, die sich in ihrer beginnenden Pubertät immer weiter von ihm entfernt. Etwas bricht schmerzhaft in Patrik auf, Vergangenheit und Gegenwart kollidieren.
Patrik überidentifiziert sich mit seiner Vaterrolle, durch seine Hingabe droht er sich selbst zu verlieren. Wie kann er lernen loszulassen?
Der Roman stellt grundsätzliche Fragen zu Elternschaft: Wie kann ich gleichzeitig Vater und Mann sein? Wie kann ich mich selbst als unabhängiges Individuum erhalten und bewahren? Was wäre ich ohne Kind geworden? In der Figur des ehemaligen Spitzensportlers, der seine erlernten Mechanismen radikal auf sein Vatersein überträgt, sind diese Fragen stark verdichtet. Loslassen wird zu einem schmerzhaften, die eigene Identität gefährdenden Prozess. Denn was bleibt von mir übrig, wenn mein Kind sich von mir entfernt, selbständig wird, mich nicht mehr braucht?
Kontakt:
Britta Gansebohm
Künstlerische Leitung der Stipendiatenstätte Künstlerhof Schreyahn
& Der Literarische Salon
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